Von Bernd Goldammer
Jo Gerbeth erzählte in der Bischheimer Kulturmühle Gruselgeschichten für Erwachsene mit Rabe und im Kerzenschein las Jo Gerbeth Gruselgeschichten vor.
Foto: matt
Bischheim. Gegruselt hat es zuerst dem Wirt. Als bis wenige Tage vor der Veranstaltung nur sieben Eintrittskarten verkauft waren. „Ruhig Blut“, habe ihm Künstlerin Jo Gerbeth geraten. Und tatsächlich als am vergangenen Freitag die Nacht über die Bischheimer Kulturmühle hereinbrach, war nur noch ein Tischlein frei. Die Besucher waren gekommen, um quasi im Privatunterricht das Gruseln zu lernen.
Urplötzlich ging das Licht aus, Scheinwerfer dafür an, die die Wände in rötlichen Schein tauchten. Geisterstunde. Keiner sollte sich nach den Stunden in der Kulturmühle noch umzudrehen trauen, stand es im Programm der Mühle. Deswegen waren die Gäste erschienen und das bekamen sie auch geboten.
Zuerst hörten sie die Geschichte vom „Raben Kore“. Der soll, nur um sicher zu gehen dass seine Brut auch zahlreich zur Welt kommt, seine Eier in fremde Nester gelegt haben. Als eine Zeit gekommen war, soll er sie mit einem gewaltigen Krächzen gerufen haben. Die Brut kam aus allen Nestern, sammelte sich zu tausenden um Kore und zog heiser krächzend hinaus in die Dunkelheit der Welt.
Wenig später, Grusellyrik von Heinrich Seil. Der Weg führte ins Moor. „Auf Rabenklippen, bleichen Knabenrippen“, eine schaurige Wortlandschaft wird den Gästen offenbart. Gut platziert, denn sie trug die Zuhörer zum ersten Höhepunkt des Schauerns. Dann die Geschichte von Lady Mary im mittelalterlichen England. Sie begegnet Mister Fox. Liebe rankt sich um die beiden. Ein Ehevertrag wird ausgehandelt, doch wenige Tage vor Unterzeichnung wird der Dame klar, dass sie das Schloss, von dem Fox als gemeinsamen Wohnsitz für den Rest des gemeinsamen Lebens sprach, noch nie gesehen hat. Kurzerhand sieht sie sich das Anwesen an und findet es voll von Frauenleichen. Plötzlich betritt Fox das Castel, einen leblosen Frauenkörper hinter sich herziehend. Die Details des weiteren Geschehens sollen hier unausgesprochen bleiben. Nur so viel, wegen des Happyends: Lady Mary entkommt. Fox nicht.
Gruseln machte sich in der Kulturmühle breit. Taschentücher saugten Schweiß von Stirnfalten.
Der zweite Teil des Abends begann mit Gesängen in gespenstischer Stimmlage. Die Geschichte vom berauschten Wirt, der drei Gehängte zum Nachtmahl lud, hatte es in sich.
In der nächsten Geschichte spielte Jo Gerbeth mit den voreiligen Schlüssen ihrer Zuhörer. Minutenlang erzählte sie: Eine Frau holt die „Schönen“ zu sich, zerstückelt sie mit ihrem Küchenmesser und genießt ihr Fleisch. Erst in den letzten beiden Sätzen ihrer Erzählung erfuhr der verängstigte Zuhörer, dass es sich um die Zubereitung eines Kaninchenbratens handelte.
Jo Gerbeth erwies sich als fintenreiche Erzählerin. Schweigen herrschte nach der Vorstellung, die das Gruseln gelehrt hatte. Kunst braucht halt ihre Wirkungszeit.